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Essay aus dem Jahr 2016 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Sprache: Deutsch, Abstract: Am 5. November 1796, im Jahr der Veroeffentlichung von Goethes Wilhelm Meisters Lehrjahre, schreibt Christian Gottfried Koerner an seinen Freund Schiller: Besondere Kunst finde ich in der Verflechtung zwischen den Schicksalen und den Charakteren. Beide wirken gegenseitig ineinander. Der Charakter ist weder bloss das Resultat einer Reihe von Begebenheiten, wie die Summe eines Rechnungsexempels, noch das Schicksal bloss eine Wirkung des gegebenen Charakters. Das Persoenliche entwickelt sich aus einem selbststandigen unerklarbaren Keime, und diese Entwicklung wird durch die ausseren Umstande bloss begunstigt. Dieses Lob fallt bei Goethe auf fruchtbaren Boden, da er besonders auf die Verflechtung von Schicksalen und den Charakteren eine ununterbrochene Aufmerksamkeit gerichtet habe. Diese Verflechtung musse der Hauptfaden sein, der im Stillen alles zusammenhalt und ohne den kein Roman etwas wert sein kann . Die Gestaltung der Beziehung des Menschen zu den ihm begegnenden Geschehnissen, seine Haltung gegenuber seinem Schicksal oder dem Zufall , spielt im Wilhelm Meister eine bedeutende, wenn nicht entscheidende Rolle. Fur diesen Roman als Bildungsroman kennzeichnend ist die Auseinandersetzung Wilhelms mit der ihn umgebenden Welt, die im Vergleich etwa zu der Zeit der Antike oder des europaischen Mittelalters umso notwendiger wird, weil die Welt kein einheitliches Gefuge mehr ist und Weg und Ziel individuell gefunden werden mussen. Der Schicksalsbegriff im Wilhelm Meister spielt sich dabei zwischen zwei einander entgegen gesetzten Positionen ab: Zu Beginn der Lehrjahre spielt das irrationale Moment des Schicksals fur Wilhelm eine grosse Rolle. Der Held beruft sich auf ein lenkendes Schicksal, um sich selbst und seine Neigungen mit den ausseren Geschehnissen in Beziehung zu setzen. Diese Auffassung vom Schicksal ist dem aufklarerischen Bestreben der Turmgesell
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Essay aus dem Jahr 2016 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Sprache: Deutsch, Abstract: Am 5. November 1796, im Jahr der Veroeffentlichung von Goethes Wilhelm Meisters Lehrjahre, schreibt Christian Gottfried Koerner an seinen Freund Schiller: Besondere Kunst finde ich in der Verflechtung zwischen den Schicksalen und den Charakteren. Beide wirken gegenseitig ineinander. Der Charakter ist weder bloss das Resultat einer Reihe von Begebenheiten, wie die Summe eines Rechnungsexempels, noch das Schicksal bloss eine Wirkung des gegebenen Charakters. Das Persoenliche entwickelt sich aus einem selbststandigen unerklarbaren Keime, und diese Entwicklung wird durch die ausseren Umstande bloss begunstigt. Dieses Lob fallt bei Goethe auf fruchtbaren Boden, da er besonders auf die Verflechtung von Schicksalen und den Charakteren eine ununterbrochene Aufmerksamkeit gerichtet habe. Diese Verflechtung musse der Hauptfaden sein, der im Stillen alles zusammenhalt und ohne den kein Roman etwas wert sein kann . Die Gestaltung der Beziehung des Menschen zu den ihm begegnenden Geschehnissen, seine Haltung gegenuber seinem Schicksal oder dem Zufall , spielt im Wilhelm Meister eine bedeutende, wenn nicht entscheidende Rolle. Fur diesen Roman als Bildungsroman kennzeichnend ist die Auseinandersetzung Wilhelms mit der ihn umgebenden Welt, die im Vergleich etwa zu der Zeit der Antike oder des europaischen Mittelalters umso notwendiger wird, weil die Welt kein einheitliches Gefuge mehr ist und Weg und Ziel individuell gefunden werden mussen. Der Schicksalsbegriff im Wilhelm Meister spielt sich dabei zwischen zwei einander entgegen gesetzten Positionen ab: Zu Beginn der Lehrjahre spielt das irrationale Moment des Schicksals fur Wilhelm eine grosse Rolle. Der Held beruft sich auf ein lenkendes Schicksal, um sich selbst und seine Neigungen mit den ausseren Geschehnissen in Beziehung zu setzen. Diese Auffassung vom Schicksal ist dem aufklarerischen Bestreben der Turmgesell