Friedrich Hoelderlin (1770-1843) hat nur einen einzigen Roman geschrieben. Nach langem Zoegern und durch vielfaltige Varianten hindurch gestaltete er die publizierte Endfassung des Hyperion in der Form des Briefromans. Die Studie rekonstruiert die Entwicklung dieses Romanprojekts, indem sie erstmals alle Textteile der Vorstufen einer eingehenden Untersuchung unterzieht. Ermoeglicht wird diese Betrachtung, die in eine Interpretation der Endfassung auf der Grundlage der Entwicklungsgeschichte mundet, durch eine Einbettung in den systematischen Zusammenhang der philosophischen, politischen und literarischen Kontexte der 1790er Jahre.
Dabei bietet ein Ruckblick auf die Geschichte des Briefromans im 18. Jahrhundert sowie die Stellung des Hyperion in dieser neue Einblicke in dessen poetische Form. Erst die Korrelation dieser formgeschichtlichen Entwicklung mit den Wandlungen von Hoelderlins philosophischen Erkenntnissen kann daruber hinaus eine starkere Anbindung an Kants praktische Philosophie nachzeichnen als bisher angenommen wurde. Hoelderlin erkannte namlich im Briefroman ein adaquates Medium fur die von Kant in der Kritik der praktischen Vernunft gestellte Aufgabe, wie man den Gesetzen der reinen praktischen Vernunft Eingang in das menschliche Gemut, Einfluss auf die Maximen derselben verschaffen, d.i. die objektiv praktische Vernunft auch subjektiv praktisch machen koenne. Dieser unendlichen Aufgabe, der sich Hoelderlin auch als Erzieher verpflichtet sah, schien ihm erst sein Roman wirklich gewachsen.