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Bereits Jacob Burckhardt bezeichnete Christus und die Ehebrecherin als das venezianische Lieblingssujet . Er blieb uns jedoch eine Antwort auf die Frage schuldig, woher im 16. Jahrhundert die Neigung der Venezianer fur das Thema stammte. Heute sind rund sechzig Gemalde der Adultera aus der Seerepublik erhalten, die auf die grosse Fulle der dortigen Bildproduktion hinweisen, wahrend zur selben Zeit im ubrigen Italien das Motiv so gut wie nicht begegnet. Die vorliegende Untersuchung widmet sich diesem Kuriosum und legt unterschiedlichste Grunde dar, weshalb das Sujet in der Serenissima so deutlich favorisiert wurde. Eine Voraussetzung war, dass das Bildthema durch die monumentale Ehebrecherin in der Staatskirche San Marco niemals in Vergessenheit geriet. Denn sie ist keine Neuschoepfung des Seicento, wie bislang angenommen wurde, sondern beruht auf einem mittelalterlichen Vorgangermosaik. Wesentlich fur das hohe Aufkommen des Motivs durfte jedoch seine grosse Vielseitigkeit gewesen sein, die zahllosen Einsatz- und Interpretationsmoeglichkeiten. So konnte Rocco Marconis Ehebrecherin als einzige Dekoration im Kapitelsaal der Moenche von San Giorgio Maggiore eine wichtige Funktion innerhalb des taglich abgehaltenen monastischen Zeremoniells einnehmen. Jacopo Tintoretto formulierte in der Adultera Chigi eine Gnadenauffassung, die kurz darauf von der katholischen Kirche verdammt wurde. Hingegen zeigt Tizians Glasgower Ehebrecherin Aspekte des zeitgenoessischen Liebesdiskurses, Nicolo de Barbari wiederum stellte in der aus dem Hause Mocenigo stammenden Tafel Disziplinierungsversuche gegenuber einer Neuvermahlten dar. Nicht zuletzt erhielt das Bildthema seine Bedeutung, weil es ebenso Eingang in die Staatsreprasentation der Serenissima fand. Durch das mildtatige Handeln Jesu an der Sunderin konnte die Adultera auch als szenische Darstellung der clementia, der goettlichen Tugend, gelesen werden. Die ursprunglich in Gerichtssalen platzierten Ehebrecherinnen Jacopo Bassanos und Bonifacio de’ Pitatis eigneten sich ausgezeichnet, den Mythos Venedigs vom buon governo, der besten aller Regierungen, zu befestigen.
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Bereits Jacob Burckhardt bezeichnete Christus und die Ehebrecherin als das venezianische Lieblingssujet . Er blieb uns jedoch eine Antwort auf die Frage schuldig, woher im 16. Jahrhundert die Neigung der Venezianer fur das Thema stammte. Heute sind rund sechzig Gemalde der Adultera aus der Seerepublik erhalten, die auf die grosse Fulle der dortigen Bildproduktion hinweisen, wahrend zur selben Zeit im ubrigen Italien das Motiv so gut wie nicht begegnet. Die vorliegende Untersuchung widmet sich diesem Kuriosum und legt unterschiedlichste Grunde dar, weshalb das Sujet in der Serenissima so deutlich favorisiert wurde. Eine Voraussetzung war, dass das Bildthema durch die monumentale Ehebrecherin in der Staatskirche San Marco niemals in Vergessenheit geriet. Denn sie ist keine Neuschoepfung des Seicento, wie bislang angenommen wurde, sondern beruht auf einem mittelalterlichen Vorgangermosaik. Wesentlich fur das hohe Aufkommen des Motivs durfte jedoch seine grosse Vielseitigkeit gewesen sein, die zahllosen Einsatz- und Interpretationsmoeglichkeiten. So konnte Rocco Marconis Ehebrecherin als einzige Dekoration im Kapitelsaal der Moenche von San Giorgio Maggiore eine wichtige Funktion innerhalb des taglich abgehaltenen monastischen Zeremoniells einnehmen. Jacopo Tintoretto formulierte in der Adultera Chigi eine Gnadenauffassung, die kurz darauf von der katholischen Kirche verdammt wurde. Hingegen zeigt Tizians Glasgower Ehebrecherin Aspekte des zeitgenoessischen Liebesdiskurses, Nicolo de Barbari wiederum stellte in der aus dem Hause Mocenigo stammenden Tafel Disziplinierungsversuche gegenuber einer Neuvermahlten dar. Nicht zuletzt erhielt das Bildthema seine Bedeutung, weil es ebenso Eingang in die Staatsreprasentation der Serenissima fand. Durch das mildtatige Handeln Jesu an der Sunderin konnte die Adultera auch als szenische Darstellung der clementia, der goettlichen Tugend, gelesen werden. Die ursprunglich in Gerichtssalen platzierten Ehebrecherinnen Jacopo Bassanos und Bonifacio de’ Pitatis eigneten sich ausgezeichnet, den Mythos Venedigs vom buon governo, der besten aller Regierungen, zu befestigen.