Unheilsmachte und Schutzgenien, Antiwesen und Grenzganger: Vorstellungen von Damonen im alten Israel
H. Frey-Anthes
Unheilsmachte und Schutzgenien, Antiwesen und Grenzganger: Vorstellungen von Damonen im alten Israel
H. Frey-Anthes
Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit ist der forschungsgeschichtliche
Befund, dass unter dem Begriff Damon eine Vielfalt von Phanomenen
verstanden wird. Der Gebrauch dieses Sammelbegriffs ohne semitisches
AEquivalent suggeriert eine Einheitlichkeit der Quellen (Bilder und
Texte), die sich bei naherer Betrachtung nicht bestatigt. Werden in
Studien zur Ikonographie (bedrohliche) Mischwesen als Damonen
bezeichnet, so sind es in den Texten Krankheiten ebenso wie
depotenzierte Goetter oder Wesen, die die Peripherie der Zivilisation
bevoelkern, aus der Umwelt Israels ubernommene Gestalten wie Lilit und
A_modai oder Grenzganger und Mittlergestalten wie die Figur des Satans.
Die vorliegende Arbeit uberpruft deshalb sowohl in terminologischer als
auch funktionaler Hinsicht verschiedene Bestimmungsmerkmale des
Phanomens Damon (Aussehen: Mischwesen; Herkunft: depotenzierte Goetter;
Ort: Gegenwelten; Kommunikationsmittler: Grenzganger; Bedrohung:
Schadensgeister; Hilfe: Schutzgenien) hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit
auf den ikonographischen Befund in Syrien-Palastina sowie auf
alttestamentliche Texte. Dabei zeigt sich, dass verschiedene Zugange zum
Phanomen Damon sich funktional jeweils nur auf bestimmte Texte bzw.
Bilder anwenden lassen, auf andere aber nicht. Ein UEberbegriff
Damon/Damonen sollte deshalb fur das alte Israel vermieden werden. Die
beschriebenen Phanomene mussen vielmehr einzeln betrachtet und in einem
zweiten Schritt auf ihre jeweiligen funktionalen Gemeinsamkeiten hin
uberpruft werden. In religionsgeschichtlicher Hinsicht fuhrt die
Untersuchung zum Ergebnis, dass sich uber einen ausgepragten Glauben an
(negativ-)numinose Machte neben Jahwe kaum dezidierte Aussagen machen
lassen. In der Glyptik werden Schadensgeister nicht dargestellt. Statt
dessen steht die Schutzthematik im Vordergrund, was lediglich als
indirekter Hinweis darauf gewertet werden kann, dass es Gefahren gab,
vor denen man sich schutzen wollte. Im literarischen Bereich zeigt sich,
dass man im alten Israel zwar Phanomene aus der Umwelt in die eigene
Religion integrierte, sie zugleich aber theologisch instrumentalisierte.
Nicht an Damonologie, sondern an Theologie ist den Texten gelegen: Jahwe
ist nicht nur ein omnipotenter Arzt, sondern vor allem ein omnipotenter
Herrscher, dessen Macht alle anderen Machte uberstrahlt. Das Fehlen
einer dezidierten Damonologie und eines damit verbundenen
Beschwoerungssystems durfte politische, oekonomische und theologische
Grunde haben: Dem Herrscher Jahwe selbst eigneten zunachst positive wie
negative Seiten. Mit dem voll ausgebildeten Monotheismus von Judentum
und Christentum, der Gott von negativen und unheimlichen Elementen
befreien will, verschiebt sich allerdings die theologische Einsicht der
Alleinursachlichkeit Jahwes. Die Ausbildung einer Hierarchie von Engeln
und Damonen entlastet in gewisser Weise das Gottesbild; zugleich fuhrt
der Glaube an Engel und Damonen aber dazu, dass in den monotheistischen
Religionen ein unterschwelliger Polytheismus aufrechterhalten wird.
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