Rabelais zwischen Mundlichkeit und Schriftlichkeit
Bettina Rommel
Rabelais zwischen Mundlichkeit und Schriftlichkeit
Bettina Rommel
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Spatestens seit Michael Bachtins Lekture stellt Francois Rabelais (1494-1553) eine zentrale Referenz fur die literarturwissenschaftliche Theoriebildung dar. Der Verfasser der ab 1532 erscheinenden Pentalogie erscheint als Autor von faszinierender Modernitat, als Ahnherr von Intertextualitat, Selbstreferenz oder Dekonstruktion. Solcherart Etiketten haben allerdings nur den Methodenstreit befoerdert, so dass zahllose Fragen, die Rabelais" Romanwerk stellt, von der Forschung unbeantwortet sind. Exemplarisch lasst sich das am Gargantua zeigen. Schwierigkeiten bereiten dort u.a. die Abschlusskapitel mit der Beschreibung einer imaginaren Architektur. Die Funktion der hier greifbaren mnemotechnischen Verfahren wird nicht ansatzweise erkannt.
Die vorliegende Arbeit verfolgt daher das Ziel, den Blick weg von modernen Identifikationen zu lenken, um die historische Differenz eines zeitlich fernen wie habituell fremden Literaturkonzepts paradigmatisch sichtbar zu machen, dessen Funktion Literatur als Lebensfuhrung benennt. Sie beschreitet dazu ein von der Rabelais-Forschung weithin unbetretenes Gebiet: Der Text des 1534/5 publizierten Romans wird zum einen im mediengeschichtlichen und paradigmatischen Rahmen seiner Entstehungssituation gelesen. Mit dieser Kontextualisierung ist eine weitere methodische Option verbunden.
Die Kategorien der Mundlichkeits-/Schriftlichkeitsforschung eroeffnen die Moeglichkeit, pragmatische, mediale und materiale Faktoren in die Analyse einzubeziehen, die einem eng gefassten Textbegriff entgehen. Fur den Gargantua heisst dies, dass hier erstmals die literarische Relevanz von Praktiken des Lesens und Schreibens sowie der ihnen komplementaren Techniken der kulturellen UEbermittlung ins Blickfeld geraten. Dies betrifft vor allem die unter dem Begriff der Semi-Oralitat gefassten, fur mediale UEbergangssituationen typischen Rezeptions- und Produktionsformen von Literatur.
Nicht zuletzt wird ein altes Problem der Rabelais-Forschung geloest: Die Studie weist erstmals den hohen Stellenwert der ars memorativa in der literarischen Konzeption nach und liefert damit einen Schlussel fur den Bau der Abtei von Theleme.
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